Hochschulstädtescoring 2017

- Wohnungssuche für Studierende noch schwieriger als im Vorjahr -

06. September 2017  -  Die Wohnsituation für Studierende in Deutschland hat sich 2017 noch einmal verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt das Moses Mendelssohn Institut (MMI) in einer Untersuchung aller 93 Hochschulstädte mit mehr als 5000 Studierenden. Ermittelt wird für alle Standorte ein Anspannungs-Index des studentischen Wohnungsmarktes, maximal 100 Punkte sind möglich. „Wir messen auch im fünften Jahr der Untersuchung einen Anstieg des bundesweiten Durchschnittswertes, der sich nicht allein durch die allgemeine Teuerungsrate erklären lässt“, sagt Dr. Stefan Brauckmann, Direktor des Moses Mendelssohn Instituts: „Diesmal lag der Anstieg jedoch lediglich bei 0,7 Punkten, auf nun 37,7 Punkte. Außerdem beobachten wir, dass sich Hochschulstädte höchst unterschiedlich entwickeln.“ Zurückgegangen sind die Anspannungs-Werte etwa in Köln, Frankfurt oder Heidelberg. Dr. Brauckmann: „An solchen Standorten von einer nachhaltigen Entspannung der Lage zu sprechen, wäre verfrüht. Dafür sind die Werte nach zuletzt erheblichen Steigerungen weiter spürbar höher als 2013. Dennoch ist der Wachstums-Trend hier erst einmal gebrochen, so dass von einer leichten Erholung gesprochen werden kann.“ In Auftrag gegeben wurde die Analyse vom Immobilienentwickler GBI AG.

Am schwierigsten ist die Suche nach der passenden Unterkunft laut dem Scoring des MMI in München (78 Punkte), mit nur noch geringen Unterschieden zu Hamburg (76 Punkte), das Frankfurt an dieser Position ablöste. „Während der Anspannungsindex in München sich seit 2013 fast nicht geändert hat, waren deutliche Aufholeffekte zum Beispiel in Hamburg zu beobachten.“ Hier erhöhte sich der Score-Wert im gleichen Zeitraum um zehn Punkte. Auch in Städten wie Tübingen, Nürnberg, Leipzig, Rostock, Kassel, Fulda, Oldenburg, Essen oder Marburg ist eine Trendwende bei der Wohnungssuche nicht in Sicht. Im Gegenteil: Dort hat sich die Situation zum Teil deutlich verschärft. „Selbstverständlich sind an solchen Standorten die Bedingungen objektiv immer noch besser als in großen Metropolen“, erläutert Dr. Brauckmann: „Doch die Studierenden, die etwa in ostdeutschen Städten wie Rostock oder Leipzig oder an den hessischen Uni-Standorten wie Kassel oder Fulda lange Jahre gar keine oder nur geringe Probleme hatten, eine dem studentischen Budget angepasste Unterkunft zu finden, machen jetzt ganz andere Erfahrungen bei der Wohnungssuche.“ Um solche Entwicklungen zu erkennen, wurden für die Analyse des Moses Mendelssohn Instituts erneut jeweils 23 Faktoren detailliert untersucht. Dazu gehören vor allem die Immobilienpreise, insbesondere für Zimmer in Wohngemeinschaften (WG), die Entwicklung der Studierenden- und Erstsemester-Zahlen, die Altersstruktur der Bewohner, die Quote geförderter Wohnheime sowie die Attraktivität von Universität und Stadt für in- bzw. ausländische Studierende.

Cottbus als günstigster Uni-Standort in Deutschland

Wie teuer das Wohnen in den 93 Studentenstädten ist, zeigt die im Rahmen der Studie in Kooperation mit dem Immobilienportal WG-Gesucht.de vorgenommene Analyse der WG-Preise. Bereits der Platz in einer Wohngemeinschaft – der eigentlich günstigsten Wohnform nach dem geförderten Wohnheim – kostet danach im bundesweiten Durchschnitt 353 Euro. Teuerster Standort ist München mit durchschnittlich 570 Euro. In Cottbus hingegen – dem günstigsten Standort in der 93-Städte-Liste – werden für ein WG-Zimmer 208 Euro verlangt. „Diejenigen, die in den Hochschulstädten eine eigene Wohnung für sich alleine suchen, müssen in allen Städten in der Regel deutlich mehr bezahlen“, erläutert Annegret Mülbaier von WG-Gesucht.de: „Hier haben Studierende bei der Wohnungssuche noch mehr Nachfrage-Konkurrenz, sodass es teilweise erhebliche Preisaufschläge zum WG-Preis gibt.“

Neben Cottbus gibt es laut MMI-Studie nur vier weitere, ebenfalls in den neuen Bundesländern liegende Städte, in denen die durchschnittlichen WG-Mieten unter 250 Euro liegen – der laut BAföG-Satz angesetzten offiziellen Wohnkostenpauschale. Dr. Brauckmann: „Diese Pauschale spiegelt die Situation gerade in nachgefragten Hochschulstädten in keiner Weise wider.“ Ausnahmen gibt es, wenn man zum Beispiel in eine lange bestehende WG mit einem alten Mietvertrag oder in Sonderformen wie „Wohnen für Hilfe“ ziehen kann. Dort unterstützen die Studenten als Gegenleistung etwa andere Bewohner oder vorgegebene Projekte. Auf dem freien Wohnungsmarkt ist es jedoch nahezu unmöglich mit einem solchen Budget eine Bleibe zu finden. Dr. Brauckmann: „Besonders schwierig ist die Situation jetzt zum Wintersemester-Start für Studierende, die in der bisher fremden Hochschulstadt noch gar nicht vernetzt sind und nur wenig Zeit zwischen Studienplatzzusage und Semesterbeginn haben.“

Nur wenige Wohnheimplätze sorgen für lange Wartelisten

Auch Wohnheime der lokalen Studierendenwerke können nur wenig Abhilfe schaffen. Für nicht einmal jeden zehnten Studierenden (genau 9,7 Prozent) steht eine subventionierte Unterkunft zur Verfügung. „Gerade in Städten mit einem hohen Gefälle zwischen Wohnheimkosten und den Neuvermietungs-Preisen sind die Wartelisten besonders lang“, so Dr. Brauckmann. Die Schaffung zusätzlicher Wohnheimplätze durch die Ausweitung der Wohnbauförderung kann nur eine Lösung sein. „Vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der Studierenden auf dem freien Wohnungsmarkt nach einer Bleibe für sich allein oder in Gemeinschaft sucht, sollte zum einen die BAFöG-Wohnkostenpauschale endlich an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden“, so Dr. Brauckmann: „Zum anderen brauchen wir schlichtweg mehr Wohnraum, der die Bedürfnisse junger Menschen bezüglich Lage, Preis und Konzept erfüllt.“ Interessant wäre auch die Überlegung, welche Optionen man älteren, alleinstehenden Menschen bieten könnte, damit sie ihre relativ großen Bestandswohnungen wieder für Haushalte mit mehreren Personen zur Verfügung stellen. Dr. Brauckmann betont: „Wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, dass in den Metropolen die Nachfrage nach Unterkünften insbesondere durch Menschen mit geringen Wohnkostenbudgets in den nächsten Jahren bedarfsgerecht gedeckt werden kann. Selbst rückläufige Erstsemesterzahlen sind nicht gleichzusetzen mit einem Rückgang des Unterkunftsbedarfs Studierender und anderer Personen.“

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