Neuer Trend bei Investment-Fonds: Geförderter Wohnungsbau

Bayreuth, 03. März 2021 - Rund 60 Prozent aller Haushalte in Bayern haben Anspruch auf eine geförderte Wohnung mit günstiger Miete und besonderem Kündigungsschutz. Doch die Lücke zwischen Angebot und Bedarf ist groß. Zu den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen, die solche Wohnungen anbieten, kommen in jüngster Zeit private Anbieter hinzu: große Immobilienfonds oder sogenannte Nachhaltigkeitsfonds.

HOCHWERTIGE GEBÄUDE STATT SOZIALBAUTEN WIE FRÜHER

Bei der Regierung von Oberfranken wirft Christoph Reichl mit dem Beamer Fotos von eleganten Innenräumen an die Wand: schwellenfreie Böden, große Fenster und Balkone, moderne Farben. Heute könne man geförderte Wohnungen von anderen nicht mehr unterscheiden, meint der Sachgebietsleiter Wohnungswesen zufrieden und ergänzt: "Qualität geht heute mehr über Quantität, als es in den 1970er Jahren noch der Fall war."

Reichl berät Kommunen und andere Bauherren, wenn es um geförderte Wohnungen in Oberfranken geht. Im Regierungsbezirk gibt es derzeit 11.000 Wohneinheiten und viel Bau-Planung. Bei der Bewilligung von Fördermitteln aus den Wohnraumförderungsprogrammen der Staatsregierung achtet Reichl vor allem auf zwei Dinge: Barrierefreiheit und angemessene Größe. "Uns geht es darum, dass die Mieter für einen langen Zeitraum eine hochwertige Wohnung bekommen." Außerdem macht der moderne Qualitätsstandard geförderte Wohnprojekte für Anleger wie Immobilienfonds interessant.
 

LANGFRISTIGES INVESTMENT FÜR IMMOBILIENFONDS MIT STABILER RENDITE

Geförderter Wohnungsbau sei ein neues Feld in der gesamten Fondsbranche, sagt Mario Schüttauf von der Commerz Real AG. Anfang des Jahres 2021 hat das Unternehmen für seinen offenen Immobilienfonds "Hausinvest" die Wohnanlage "Seetor Living" mit 97 förderfähigen Wohnungen in Nürnberg-Mögeldorf erworben. Nächstes Jahr sollen die ersten Mieter einziehen.

Von Rendite will der Fondsmanager in diesem Fall nicht sprechen. Sie bewege sich im niedrigen einstelligen Bereich. Schüttauf bezeichnet die künftigen Einnahmen aus der geförderten Wohnanlage als "adäquate Aufwandsentschädigung". Ihm geht es um gesellschaftliche Verantwortung seines Unternehmens und um die Stabilität der Einnahmen. "Es ist eine Möglichkeit, ein langfristiges Investment in unserem Fonds zu haben", so Schüttauf.
 

ZERTIFIKAT FÜR NACHHALTIGE FONDS

Der Commerz Real-Fonds "Hausinvest" mit einem Volumen von rund 16 Milliarden Euro will künftig noch stärker in den sozialen Wohnungsbau investieren, kündigt Fondsmanager Schüttauf an. Der Anteil geförderter Wohnungen könne innerhalb der nächsten zehn Jahre auf bis zu 40 Prozent steigen. Außerdem strebt der Fonds wie viele andere auch die noch relativ junge Zertifizierung als nachhaltig an. Schüttauf: "Unsere Anleger nehmen unser Engagement in diesem Bereich sehr positiv auf."

"Das Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit", sagt auch Hans Maier vom Verband bayerischer Wohnungsunternehmen VbW mit 490 Mitgliedern, darunter kommunale, kirchliche und genossenschaftliche Baugesellschaften. "Wir bauen in Bayern viel, doch es genügt noch nicht". Das neue Interesse von Immobilienfonds am geförderten Wohnungsbaumarkt betrachtet Maier aber auch kritisch: "Grundsätzlich ist es sehr gut, wenn viele Bauherren bezahlbare Mietwohnungen bauen." Doch diese müssten auch nach der vorgeschriebenen Bindungszeit von meist 25 Jahren zu ihrer sozialen Verantwortung stehen und die Mieten bezahlbar halten. Maier: "Nachhaltige Akteure: ja, Spekulanten: nein."
 

GEFÖRDERTER WOHNUNGSBAU MIT SCHLECHTEM IMAGE

Unterdessen kämpft der geförderte Wohnungsbau gegen sein veraltetes Image an. Beispiel Bayreuth: Am Naherholungsgebiet Röhrensee entsteht eine elegante Anlage mit 116 förderfähigen Wohnungen. Bauherr ist die GBI Wohnungsbau GmbH, die zu einer gemeinnützigen Stiftung aus Erlangen gehört und sich zu Experten für derartige Anlagen entwickelt hat. Aktuell baut und verkauft die GBI bayernweit 13 Anlagen, deren Wohnungen gefördert werden können, darunter auch das Nürnberger Projekt Seetor Living.

"Geförderter Wohnungsbau hat zu Unrecht ein Imageproblem", bedauert Simon Hübner von der GBI. "Wir achten sehr auf eine moderne Architektur, funktionale Gebäude und eine Ausstattung, die dem Standard entspricht", betont der GBI-Vorstand. Dazu gehören zum Beispiel bodentiefe Fenster, Dachbegrünung, E-Ladesäulen in der Tiefgarage und Spielgeräte statt Ziergärten.
 

"ES ENTSTEHEN WOHNANGEBOTE, DIE ES SONST NICHT GEBEN WÜRDE"

Ladenhüter sind diese schicken geförderten Anlagen keineswegs. Sondern genau die Art von Investment, auf welche Fondsmanager, die ihren Fonds nachhaltig präsentieren möchten, scharf sind. Für diese Investoren haben Ökologie und soziale Verantwortung mittlerweile höchste Priorität. Die GBI setze die neuen Ansprüche in ihren Gebäuden um, so Hübner. Mit Erfolg: Auch in Bayreuth steht der Verkauf an einen neu aufgelegten Nachhaltigkeitsfonds kurz bevor.

Die Attraktivität der Wohnanlage am Röhrensee ist auch Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) wichtig. Bezahlbare Wohnungen sind knapp in der Universitäts-Stadt und die Abwanderung von Uni-Absolventen tut weh: "Da ist es das Beste, wenn man ihnen ein Umfeld bieten kann, von dem sie nicht wegwollen." Bayreuth hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: 20 Prozent der neu entstehenden Wohnungen werden zur Kategorie "bezahlbar" gehören.

Für die Mieter spielt es am Ende des Monats keine Rolle, wem sie ihre Miete überweisen – einer Wohnungsbaugesellschaft oder einem Investmentfonds. Was Einkommens-Einstufung für den Wohnberechtigungsschein, Miethöhe oder Kündigungsschutz betrifft, bleibt alles unverändert. Entwickler Hübner von der GBI betont allerdings: "Es entstehen durch die neuen Kooperationen mit großen Investmentfonds Wohnangebote, die es sonst nicht geben würde."

Den kompletten Artikel und Radio Beitrag vom Bayerischen Rundfunk finden Sie hier.

Hier können Sie direkt in die Radiobeiträge reinhören.

expand_less