„Viele Bälle in der Luft halten“

- Interview mit Reiner Nittka -

07. März 2019 - Mit ihren drei Hauptgeschäftsfeldern Hotels, Serviced Apartments und studentisches Wohnen ist die GBI Unternehmensgruppe als Projektentwickler gut aufgestellt. Warum sich diese drei Bereiche auch gut für Quartiersentwicklungen eignen und worauf es dabei ankommt, erklärt Reiner Nittka, Vorstandssprecher der GBI, im Gespräch mit hotelbau.


Herr Nittka, was macht Quartiersentwicklungen für Sie als Projektentwickler so reizvoll?

Das Reizvolle ist, dass bei Quartiersentwicklungen mehrere Nutzungsarten miteinander verbunden werden können. Im Vergleich zu einer klassischen Hotelentwicklung muss man bei einer Quartiersentwicklung selbstverständlich viel stärker auf die städtischen Belange eingehen. Deshalb dauern solche Projektentwicklungen deutlich länger. Oft muss man ein Bebauungsplanverfahren durchlaufen, sich städtebaulichen Wettbewerben stellen und in aller Regel ist daran nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Politik beteiligt. Das macht es meiner Meinung nach spannender, aber sicher nicht einfacher. Außerdem haben Quartiere viel mehr Einfluss auf eine Stadtentwicklung. Man kann somit einen großen Beitrag leisten, die jeweilige Stadt aufzuwerten. Das bedeutet eine höhere Verantwortung für den Projektentwickler.

Worin unterscheiden sich Hotelprojektentwicklungen in Quartieren von klassischen?

Die Herausforderungen sind andere, weil in Quartieren ein sinnvoller Mix entstehen muss. Häufig müssen zwei, drei oder sogar vier Hotels so kombiniert werden, dass ein Mehrwert entsteht. Dabei gilt es, auf die Sterneklasse sowie auf die Nutzungsstruktur, also vor allem Shortund Longstay, zu achten. Gerade das macht meinem Team und mir großen Spaß. Damit das gelingt, müssen uns die Hotelbetreiber zum einen großes Vertrauen entgegenbringen, dass wir ihr Projekt sinnvoll mit anderen mischen, und zum anderen auch hinsichtlich ihrer Planungen und Zahlen relativ offen sein.

Gibt es bei Planung, Umsetzung und Bau strengere Vorschriften?

Auf jeden Fall, es ist deutlich komplexer. Da Hotels zu Sonderbauten zählen, hat man generell schon hinsichtlich Lärmund Brandschutzmaßnahmen höhere Anforderungen als beim klassischen Wohnen. Wenn in einem Quartier mehrere Hotels nebeneinander realisiert werden, müssen beispielsweise die Feuerwehrzufahrten und weitere Maßnahmen exakt aufeinander abgestimmt werden. Mit drei Hotels nebeneinander befinden sich etwa 1.000 Gäste auf einem relativengen Raum. Auch was Abstandsflächen und den Brandüberschlag betrifft, gibt es strengere Vorschriften. In Entwicklungsgebieten an Bahnhöfen kommt noch das Thema Kriminalitätsprävention hinzu. Auch die Wünsche von Bürger- oder Nachbarschaftsinitiativen müssen bedient werden. Zudem stehen solche Immobilienprojekte viel stärker im öffentlichen und politischen Fokus. Letztendlich sind bei Quartiersentwicklungen sehr viele Bälle in der Luft zu halten.

Wie lange dauert eine Quartiersentwicklung in etwa?

Die Planungsphase nimmt bis zur Baugenehmigung drei bis vier Jahre in Anspruch. Zum Vergleich: Realisiert man ein „normales“ Projekt in der Stadt, hat man in der Regel eine Vorlaufphase von ein bis zwei Jahren. Die Bauphase hängt immer von der Baumasse ab. Wir bauen ein 100- bis 200-Zimmer-Hotel i. d. R. in 18 Monaten. Bei drei Hotelprojekten nebeneinander beträgt die reine Bauzeit etwa zwei Jahre.

Was sollte neben Hotels, Wohnungen und Gastronomie in Quartieren noch vorhanden sein?

Ich finde immer soziale Infrastruktur wichtig, zum Beispiel Kindertagesstätten. Das wird heute ohnehin schon oft von Politik und Verwaltung gefordert. Auch studentisches Wohnen bringt einen Mehrwert, weil es einfach mehr Dynamik, mehr junge Leute und mehr Leben in ein Quartier bringt. In Verbindung damit werden dann auch häufig Coworking-Flächen angeboten oder Cafés eröffnet. Dadurch werden Quartiere gemischt und lebendig. Denn wichtig ist immer, dass solche Quartiere auch leben.

Was war Ihr erstes Projekt in einem Quartier?

Das war im Frankfurter Europaviertel die Kombination aus Citadines, Motel One und studentischem Wohnen mit einer Kita. Der zusammenhängende Gebäudekomplex wurde im Frühjahr 2016 fertiggestellt.

Welche Projekte in neuen Stadtquartieren sind aktuell in Planung?

Am Düsseldorfer Hauptbahnhof entstehen bis Anfang 2021 auf 33.000 m² Bruttogeschossfläche drei Hotels sowie Gastronomie und eine große öffentliche Tiefgarage. Hier kombinieren wir ein Premier Inn, ein Hampton by Hilton und ein Adina. Unser eigentlicher Plan war, dort auch studentisches Wohnen einzubinden, allerdings war dies aus Lärmschutzgründen nicht möglich. Wir wollen studentisches Wohnen im Rahmen unserer Eigenmarke SMARTments student aber auch in weitere Projekte integrieren. Wir werden uns im Rahmen von Stuttgart 21 an einer Ausschreibung der Bahn bewerben, und zwar mit einem Nutzungsmix aus studentischem Wohnen, Serviced Apartments, Hotel- und Büroflächen sowie Nahversorgung. Zudem verhandeln wir über eine Quartiersentwicklung in Hamburg. Dazu läuft aktuell noch die Vergabe. Ebenfalls ins Auge gefasst haben wir gemeinsam mit einem Partner ein Grundstück in Wien am ehemaligen Nordbahnhof.

Gibt es hinsichtlich der Bruttogeschossfläche für Sie ein Minimum und/oder ein Maximum?

Die Untergrenze ergibt sich allein dadurch, dass eine Quartiersentwicklung mindestens zwei oder drei Elemente haben muss. Das sind ungefähr 15.000 m² Bruttogeschossfläche. Aktuell ist das Düsseldorfer Projekt mit 33.000 m² Bruttogeschossfläche unser größtes Projekt. Stuttgart hätte rund 60.000 m² Bruttogeschossfläche und wäre sicherlich nochmal eine andere Hausnummer.

Nach welchen Gesichtspunkten entscheiden Sie, welche Marke in einem Quartier realisiert wird?

Das fragen mich die Hotelbetreiber auch oft. Dafür gibt es kein Patentrezept und muss jedes Mal neu entschieden werden. Das hängt dabei von der Lage im Stadtgebiet und natürlich der Marktsituation allgemein ab. Hinzu kommt auch ein finanzieller Aspekt: Immer mit dabei sein sollte ein 4-Sterne-Superior-Produkt, weil dieses die Basis für die Refinanzierung der Grundstückspreise ist. Für einen guten Markenmix kombinieren wir dies meist mit einem Midscale-/Economy-Produkt und Longstay. Ist das Grundstück sehr teuer, favorisieren wir ein 4-Sterne-Hotel und ein 4-Sterne-Longstay-Haus, das wir mit einem Midscale-/Economy-Produkt ergänzen. 5-Sterne-Häuser realisieren wir nicht, weil man da ganz schnell in den Bereich der Liebhaberei kommt.

Eignen sich Ihre drei Hauptgeschäftsfelder Hotels, Serviced Apartments und studentisches Wohnen Ihrer Meinung nach gleich gut für Quartiersentwicklungen?

Gerade die Kombination aus Short- und Longstay mit studentischem Wohnen ist ein idealer Mix. Letzteres ist auch immer ein gutes Argument, wenn die Politik zum Beispiel der Meinung ist, es solle nicht zu viele Hotels in einem Quartier geben. Wir verdienen an dem Betrieb eines Studentenwohnheims nichts, die Stiftung erhält lediglich eine Aufwandsentschädigung, im Sinne einer Verwaltungspauschale. Dadurch können wir relativ günstig anbieten und sind in der Regel immer 100 bis 200 Euro pro Apartment günstiger als andere private Anbieter. Das ist immer auch ein überzeugendes Argument gegenüber der Politik und der Verwaltung.

Präferieren Sie für Quartiersentwicklungen bestimmte Lagen?

Im Grunde ist unser roter Faden die Nähe zu einem Bahnhof. Das war kein lang gefasster strategischer Plan, sondern der Kommissar Zufall hat uns zu den Bahnflächen geführt. Aber das machen wir jetzt seit Jahren sehr intensiv und haben uns diesbezüglich in den letzten zehn Jahren ziemlich gut „eingegroovt“. Wir wissen auch, dass es eine große Herausforderung ist, an Bahndämmen quasi als Lärm- oder Sichtschutz zu bauen. Auch Abstandsflächen und Elektrosmog sind dabei wichtige Themen. Die zusätzlichen Kosten können da schon eine erhebliche Rolle spielen.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Quartiersentwicklung in Deutschland in den nächsten Jahren verändern?

Bisher werden gewerblich geprägte Quartiersentwicklungen in der Regel im Bebauungsplanverfahren strikt von anderen Nutzungsformen getrennt. Ich würde mir wünschen, dass man eine stärkere Durchmischung mit Wohnen zulässt. Bereits etwas in diese Richtung geht das „Urbane Gebiet“, das im Baugesetzbuch neu geschaffen wurde. Das ist für uns interessant, weil dadurch die Abstandsflächen verkürzt werden. Wohnen, egal ob in Kleinapartments oder in öffentlich geförderten Immobilien, ist aktuell in Deutschland ohnehin durch die gestiegenen Mieten ein großes Thema. Hierbei muss man sich von der Politik und Planungsseite her stärker öffnen und erlauben, dass zumindest studentisches Wohnen in gewerbliche Quartiersentwicklungen integriert werden darf. Wobei dies aus unserer Sicht auch für Mikrowohnen geeignet wäre. Gut wäre, Wohnen, Arbeiten, Versorgung und soziale Infrastruktur enger miteinander zu verbinden. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Quartiersentwicklungen.

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