Es geht nur gemeinsam

Laut Regierungsprogramm sollen 400.000 Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 geförderte geschaffen werden. Zunächst: Nicht nur in den großen Städten, sondern in vielen Kommunen Deutschlands ist der Wohnraum knapp: Wohnungsneubau ist daher unverzichtbar. Die SPD hat den Wohnungsbau auch bisher energisch vorangetrieben: Mit massiven staatlichen Investitionen sind über 1,2 Millionen Wohnungen gebaut worden – für mehr als 700.000 Wohnungen liegen Baugenehmigungen vor.

Der Neubau schafft nicht nur Wohnraum, wir geben der Bauwirtschaft das Signal, dass wir den Wohnungsbau dauerhaft stärken und damit Investitionssicherheit schaffen wollen – angesichts unterbrochener Lieferketten, Fachkräftemangel, steigender Preise und Rohstoffknappheit nicht unwichtig! Mit einem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum wollen wir alle Akteure zusammenbringen, um das weitere Ziel umzusetzen - 100.000 preiswerte Wohnungen zu schaffen. Das geht nur gemeinsam.

Bisher funktioniert es so: Private Investoren, kommunale Unternehmen oder Genossenschaften erklären sich bereit, Sozialwohnungen zu bauen. Dafür erhalten sie staatliche Förderung und verpflichten sich im Gegenzug, den geschaffenen Wohnraum langfristig günstig anzubieten. Dieses Modell ist unzureichend. Für den sozialen Wohnungsbau sind die Länder zuständig. Sie bekommen für die Jahre 2020 bis 2024 jedes Jahr eine Milliarde Euro vom Bund. Diese Summe haben wir für 2021 aufgestockt und 2022 auf zwei Milliarden angehoben. Aber für 100.000 Sozialwohnungen jährlich müssen die Mittel noch einmal kräftig steigen. Wir wollen nicht nur preiswerten, sondern auch klimagerechten Neubau. Der KfW-55-Standard soll auch im sozialen Wohnungsbau gelten. Wir werden eine neue Wohngemeinnützigkeit auf den Weg bringen und die steuerlichen Anreize für die Bauwirtschaft durch Anhebung der linearen steuerlichen Abschreibung verbessern. Überdies können energetische Investitionen von bis zu 200.00 Euro mit 20 Prozent von der Steuerschuld abgezogen werden. Im Sommer beginnt endlich das Genossenschaftsprogramm, das Eigentumsbildung im bezahlbaren Segment auch in verdichteten Regionen ermöglicht.

Die Novellierung des Baurechts muss mehr Tempo und Innovation fördern und Genehmigungsverfahren verkürzen. Dazu gehört ein starkes kommunales Vorkaufsrecht als Teil eines gemeinwohlorientierten Bodenrechts, um die explodierenden Bodenpreise einzudämmen.

Neben der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum fordert uns die Begrenzung des Klimawandels. In der Sache unbestritten stellt sich allerdings auch die Frage nach dem effizienten Mitteleinsatz. Der abrupte Antragsstopp für die EH55- und EH40-Förderung war eine enttäuschende Nachricht- doch bei nüchterner Betrachtung ist unbestreitbar, dass die Förderkulisse längst hätte angepasst werden müssen. Statt Anreize für mehr Klimaschutz auszulösen, wurden Maßnahmen prämiert, die immer mehr zum Standard werden. So wurde das Klimaschutzziel mehr zum Bestandteil der Eigentumsbildung.

Natürlich löste die Ankündigung zum Ende der Förderung am 31. Januar einen beispiellosen Run auf die Mittel aus, nachdem das Programm in 2021 schon einmal um 6 Mrd. Euro erhöht worden ist und es danach erneut um fast die gleiche Summe aufgestockt worden war. Ich erwarte, dass die Bundesregierung die gesetzlichen Standards für Neubauten zeitnah neu ordnet, ein Teil ist bereits entschieden. Die Richtung ist im Koalitionsvertrag vorgezeichnet. Beim klimagerechten Bauen soll sich eine ambitionierte, ganzheitlich orientierte Förderung des Neubaus vorrangig auf die Reduzierung der Treibhausgase konzentrieren, den Lebenszyklus und den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes berücksichtigen. Von eminenter Bedeutung wird dabei der Blick aufs Quartier und die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen durch fortschrittliche Wärmeplanungen sein.

Förderprogramme allein werden die Wohnungsnot in den Ballungszentren nicht lösen. Wir brauchen einen Mix: Investitionen und steuerliche Unterstützung aus ökonomischer Perspektive; verpflichtende Etappenziele aus ökologischer Sicht; neue rechtliche Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau und schließlich soziale Verantwortung, wenn mit dem Wohnen der Zukunft auch die soziale Frage beantwortet werden soll.

Zuletzt: Putins Krieg ist vor allem ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er zeigt uns aber auch drastisch die Verletzlichkeit unserer Energieversorgung. Deshalb müssen die erneuerbaren Energien uns im eigenen Land unabhängiger von Importen machen. Photovoltaik-Anlagen, Windräder und erneuerbare Energien sind daher sowohl zur Abwehr des Klimawandels als auch aus energiepolitischen Gründen dringend notwendig und müssen diesen Vorrang in verschiedenen Handlungsebenen bekommen – eine gesellschaftspolitische Aufgabe, bei der auch die Bau- und Wohnungswirtschaft gefordert ist.


Beitrag von Bernhard Daldrup (MdB). Er ist Sprecher der Arbeitsgruppe Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag und Obmann der SPD im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen des Deutschen Bundestages.

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