Hauptsache nachhaltig

Nichts geht mehr ohne ESG. Das Kürzel ist in aller Munde - als Nachhaltigkeitskriterium für Investmentfonds, als Teil von Projektbeschreibungen und als Anforderung an Unternehmen. Aber was genau bedeutet es? Und warum spielt es plötzlich so eine große Rolle?

Die drei Buchstaben stehen für Environment, Social und Governance. Environment umfasst hier alles, was mit den Themen Umweltschutz, Ressourcensparen und Energieeffizienz zusammenhängt. Aktive Maßnahmen gegen den Klimawandel und Investments in erneuerbare Energien gehören ebenso dazu. Unter Social werden faire Arbeitsbedingungen und Minderheitenschutz subsummiert. Diversity und Geschlechtergerechtigkeit sind ebenso zu leisten wie die gesellschaftliche und soziale Abstimmung von Projekten. Governance schließlich umfasst verantwortliches Unternehmertum. Eine Struktur soll interne Kontrollsysteme – unter anderem gegen Korruption und Machtmissbrauch - installieren und Mitbestimmung innerhalb der Unternehmen ermutigen. Vom Management wird erwartet, Nachhaltigkeitsziele zu formulieren und umzusetzen und Unternehmenswerte zu definieren. 

Ein gutes Drittel älterer Menschen lebt in Ein-Personen-Haushalten – ein Segment, das laut Statistischem Bundesamt seit 1991 insgesamt um gut 46 Prozent zugenommen hat. Die Zahl der Zweipersonen-Haushalte hat in der gleichen Zeit um 29 Prozent zugelegt. Diese Zahlen enthalten auch jungen Menschen - zeigen aber ganz klar, dass es in diesem Bereich einen gestiegenen Bedarf an angepasstem Wohnraum gibt. 

Zurückzuführen sind die Kriterien vor allem auf die Nachhaltigkeitskriterien der EU, die ab 2021, bzw. 2022, auch in die nationale Gesetzgebung überführt werden. Die „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen“ (Taxonomie-VO) bildet hierfür die Grundlage. In ihr werden unter anderem Klimaziele formuliert, die Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung und der Übergang zur Kreislaufwirtschaft postuliert.

Die neuen Kriterien sollen verbindliche Maßstäbe setzen. Sie richten sich an die Mitgliedsstaaten und an die Teilnehmer des Finanzmarktes - etwa Versicherungen, Kapitalgesellschaften, Pensionsfonds und andere institutionelle Anleger. Wenn diese Gesellschaften keine Nachhaltigkeits-Kriterien anlegen, müssen sie ihre Kunden darüber explizit informieren. Ansonsten müssen sie transparent machen, in welchem Umfang sie Nachhaltigkeits-Kriterien berücksichtigen. Nach einer Umfrage von Warburg HIH Real Invest befürworten mehr als zwei Drittel der Investoren die ESG-Kriterien und halten sie für eine wichtige Entscheidungshilfe.

Um den Überblick für Anleger zu erleichtern, gibt es spezialisierte Agenturen, die Unternehmen nach den ESG-Kriterien bewerten. So arbeitet beispielsweise die Bayerische Versorgungskammer als größte deutsche Pensionskasse mit der Agentur ISS ESG zusammen, die Investments nach den ESG-Kriterien überprüft und mit verschiedenen Teams Themen wie Umweltverträglichkeit oder Diversität bearbeitet. Gerade größere Unternehmen geben mittlerweile selbst Nachhaltigkeitsberichte heraus und formulieren Nachhaltigkeitsziele.

Für die Immobilienbranche bedeuten diese neuen Bedingungen einen noch stärkeren Fokus auf nachhaltiges Bauen und Wirtschaften. Das fängt beim Einsatz von Baumaterialien an, die sich an ökologischer Verträglichkeit und Energieeffizienz messen lassen müssen, geht über faire Arbeitsbedingungen in der Auftragskette weiter, bezieht das soziokulturelle Umfeld der Projekte ein und verlangt von den Unternehmen klare Richtlinien in Sachen Steuertransparenz und nachhaltiger Unternehmensorganisation. Nachhaltigkeit ist zukünftig keine Kür mehr, sondern wird gleichberechtigt neben der Renditeerwartung an Projekte stehen.

Etliche Investmentfirmen werben bereits mit strengen ESG-Plänen- so etwa Corestate Capital, die in einem aktuellen ESG-Report zu ihrem Portfolio eine Reduzierung vom CO2 -Ausstoß von 12 Prozent, von Energie um 10 und von Müll um 13 Prozent gegenüber 2018 ausweisen. Catella hat in diesem Jahr den Nachhaltigkeitsfonds „KCD Catella-Immobilien mit sozialer Verantwortung“ aufgelegt und  hält in einer eigenen Studie zum Thema fest, es sei zu erwarten, „dass sich ein umfassender Ansatz der Standardkriterien für nachhaltige Anlagen, Environmental, Social & Governance in den Unternehmen verankern wird.“ Und Industria geht mit dem Spezialfonds „Wohnen VII“ an den Markt, in den ausschließlich nachhaltige und soziale Wohnungsinvestitionen aufgenommen werden. Und die Hanse Merkur schreibt in Ihrem ersten Nachhaltigkeitsbericht: „...die glaubwürdige Selbstverpflichtung von Unternehmen, sich der Verantwortung für eigene Handlungen zu stellen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft ernst zu nehmen, zahlt auch auf das Konto Markenvertrauen ein.“

Bauten werden umso wirtschaftlicher sein, je nachhaltiger sie geplant werden; die Einführung einer CO2-Steuer für fossile Brennstoffe ab 2021 wird das Interesse verstärken, Gebäude mit niedrigem Energieverbrauch zu bauen. Der Wettbewerbsvorteil im Immobilienbereich wird in Zukunft bei denjenigen liegen, die sich auf allen Ebenen um Nachhaltigkeit bemühen.

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