Selbst bestimmen, wie man wohnt

Eines steht fest: Die Deutschen werden immer älter. Schon heute sind mehr als 20 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre, im Jahr 2035 werden es nach jetziger Prognose ein knappes Drittel sein. Wie diese Menschen leben und wohnen wird so zum zentralen Thema der Politik – und der Immobilienwirtschaft. „Der Wohnungsbestand in Deutschland muss also in Zukunft stärker an die Bedürfnisse älterer Menschen angepasst werden“, schreibt das Bundesfamilienministerium zum Wohnen im Alter. 

Eines der größten Missverständnisse liegt in der Annahme, dass ältere Menschen vorwiegend in Heimen wohnen. Das Gegenteil ist der Fall: Nur etwas mehr als vier Prozent von ihnen wurden nach Angaben des Deutschen Zentrums für Altersfragen im Jahr 2017 in Pflegeheimen versorgt. 

Ein gutes Drittel älterer Menschen lebt in Ein-Personen-Haushalten – ein Segment, das laut Statistischem Bundesamt seit 1991 insgesamt um gut 46 Prozent zugenommen hat. Die Zahl der Zweipersonen-Haushalte hat in der gleichen Zeit um 29 Prozent zugelegt. Diese Zahlen enthalten auch jungen Menschen- zeigen aber ganz klar, dass es in diesem Bereich einen gestiegenen Bedarf an angepasstem Wohnraum gibt. 

Tatsächlich sind aber gerade ältere Menschen besonders unglücklich mit der Idee, umziehen zu müssen. Während bei den unter 60jährigen noch 47 Prozent angeben, nicht oder nur ungern aus der gewohnten Umgebung umziehen zu wollen, sind es bei den über 70jährigen bereits 73 Prozent, bzw. 83 Prozent bei den über 80jährigen. Tatsächlich ist deren Wohnsituation dann aber in vieler Hinsicht unbefriedigend: Oft verharren sie in viel zu großen Wohnungen, weil in den Ballungsgebieten die Mieten für kleinere Wohnungen so hoch sind, dass sich ein Umzug nicht lohnt. Dieses Problem wird bei einem sinkenden Rentenniveau in den kommenden Jahren an Brisanz gewinnen. In einem Papier zum Sozialen Wohnungsbau des Landes Nordrhein-Westfalen wird beispielsweise festgehalten, dass dort rund 80 Prozent der über 65jährigen Anspruch auf geförderten Wohnraum hätten.

Gleichzeitig sind nur 1,5 Prozent der Wohnungen in Deutschland barrierefrei und somit auch für Einschränkungen im Alter angepasst. Das Bundesbauministerium konstatiert einen Bedarf von rund zwei Millionen Wohnungen bundesweit. 

Während einige Ältere die Sache selbst in die Hand nehmen und – wie der ehemalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf - im fortgeschrittenen Alter wieder den Weg in eine WG wagen, wird das Gros der Älteren wohl andere Lösungen brauchen. Eine Möglichkeit bieten Apartments, bei denen notwendige Unterstützung hinzugebucht werden kann. Eine andere bezahlbare, kleinere Wohnungen, die vor allem im geförderten Bereich entstehen müssen. 

Bund und Länder versuchen sich seit Jahren an Verbesserungen im Bereich bezahlbaren Wohnraums, der besonders in Ballungsräumen. Seit 2020 stellt der Bund den Ländern zusätzlich zu den Landesfördermitteln insgesamt eine Milliarde Euro jährlich für den Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Hierbei sind die Fördermaßnahmen der Länder höchst unterschiedlich gestaltet. Die RWTH Aachen beispielsweise hat fünf Bundesländer verglichen und kam auf fünf komplett verschiedene Förderformen. 

Die Unterschiede in den Bundesländern reichen von der Festlegung der Wohnungsgröße und sogar einzelner Zimmergrößen bis hin zur Gebäudehöhe, zur Barrierefreiheit und der Frage, wie hoch das Einkommen in unterschiedlichen Einkommensgruppen sein darf.  

Auch gibt es Unterschiede, ob bezuschusste Kredite ausgegeben werden – was in Niedrigzinszeiten eher wenig Effekt hat – oder ob Zuschüsse gezahlt werden. 

Die Zukunft für Ältere liegt besonders in Projekten, die eine gemischte Förderung und gemischte Nutzung vorsehen. Kleinere Einheiten dieser Art entstanden bisher vor allem über staatlich geförderte Genossenschaftsprojekte, wie zum Beispiel das Projekt www.anderswohnen-nuernberg.de. In diesem zentral gelegenen Projekt leben Seniorinnen und Senioren gemeinsam mit Alleinerziehenden und ihren Kindern unter einem Dach. Neben den – komplett barrierefreien - individuellen Wohnungen, die von Ein-bis Vier-Zimmerwohnungen reichen, wurden hier auch Gemeinschaftsräume wie Küche, Waschräume und Sonnenterrasse geschaffen. Besonders interessant: 33 der Wohnungen wurden gefördert, 10 sind freifinanziert. So entsteht neben der Altersmischung auch ein Nebeneinander unterschiedlicher Einkommensgruppen. Ergänzt wird das Ganze durch eine Kita und ein privat betriebenes Café.  

Für private Bauherren lassen sich diese Ideen durch gemischte Nutzungskonzepte realisieren: Eine Mischung aus frei finanziertem und in unterschiedlichen Förderklassen gefördertem Wohnungsbau kann durch Gemeinschaftsräume, Tagespflegeinrichtungen, Kitas, Ärzte und Nachversorgung so ergänzt werden, dass ein möglichst langes Verweilen in der eigenen Wohnung organisiert werden kann – ein Wunsch, den fast jeder ältere Mensch formuliert. Vor allem aber kann in solchen Quartieren das Leben mit mehreren Generationen beibehalten werden, statt ältere Menschen in einseitig ausgerichteten Heimen unterzubringen. 

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