Urbane Lebendigkeit

Lässig lehnt Georgios Ganitis an der Lobby-Bar des neuen Adina Hotels im Münchener Werksviertel. „Herzlich willkommen im neuen Flaggschiff der Adina Hotels in Europa“, sagt der Geschäftsführer und schwärmt vom einzigartigen Blick über die Stadt. Zur Vorstellung des Hotelturms zieht Ganitis alle Trümpfe - die Lobby liegt im 14. Stock, Zimmer und Apartments ragen 86 Meter in die Höhe. Ganz München liegt dem Gebäude zu Füßen, die Gipfel der Alpen zeichnen sich bei gutem Wetter am Horizont ab.

Doch Ganitis schwärmt auch von der „Kreativität und der Lebensfreude“, die jetzt das Werksviertel prägen würden. Früher wurden die Gebäude industriell genutzt, heute bilden sie nur noch die bautechnische Grundlage, auf deren Schultern die Bedürfnisse einer Dienstleistungsgesellschaft bedient werden sollen. Kunst, Handel, Unterhaltung, aber auch Beruf und Wohnen werden miteinander verknüpft und sollen die beispielhafte Entwicklung moderner Quartiere in Großstädten projizieren.

Die Stadt München erkannte in dem Planungsgebiet „aufgrund seiner Lage und der guten Erschließung sehr gute Voraussetzungen für eine städtebauliche Entwicklung hin zu einem attraktiven urbanen Stadtquartier...“, wie es im Billigungsbeschluss des Referats für Stadtplanung heißt. Die Sorge bereits ansässiger Betriebe, sie könnten der Neuentwicklung zum Opfer fallen und ihren Standortvorteil verlieren, begegneten die Planer mit der Integration dieser Betriebe in das Konzept. Deswegen gehören jetzt unter anderem eine alte Schlosserei und eine ebenso traditionelle Schreinerei zum „attraktiven urbanen Stadtquartier“.

Im Werksviertel steht das Adina Hotel als architektonischer Blickfang, aber auch als Instrument zur Vermarktung benachbarter Büroflächen und Konferenzgebäude. „Hotels ziehen einerseits ein internationales Publikum an, anderseits funktionieren sie als Marketing-Instrument für die weitere kommerzielle Erschließung des Geländes“, sagt Josef Glasl, Geschäftsführer der Agentur Urkern, die sich um die Vermarktung des Quartiers kümmert. Mit dem Adina, aber auch dem darunter liegenden Youth Hostel mit 500 Betten wollen Glasl und sein Team mehr Unternehmen ins Werksviertel locken: „Hotels sind Teil einer Gesamtkonzeption, die urbane Lebendigkeit schafft“.

Allerdings: „Ein Hotel allein sagt noch nichts über die Lebendigkeit eines Viertels aus. Die Menschen, die dort absteigen, sind dort nicht verwurzelt und stoßen nichts Neues an. Sehr wohl kann ein Hotel aber zu einer Lebendigkeit insgesamt beitragen“, sagt Armin Mayr vom Amt für Stadtentwicklung in Regensburg.

Die Stadt an der Donau, deren alter Ortskern 2006 zum Weltkulturerbe ernannt worden ist, erlebt einen regelrechten Boom. Die Zahl der Hotelbetten hat sich im vergangenen Jahrzehnt auf mehr als 6000 erhöht. Dennoch sei die Hotellerie an sich „kein Entwicklungstreiber“, sagt Mayr. Stattdessen schaffe die Umwandlung von Arealen, auf denen früher Kasernen, Bahnanlagen oder Fabriken standen, vielseitige Möglichkeiten für neue Quartiere, deren Charakter dann auch durch die Hotels geprägt würden.

„Das Image der Stadt muss auch mithalten können mit ihrem Anspruch, Magnetwirkung auf internationale Wirtschaftsunternehmen zu haben“, sagt Sabine Thiele von der örtlichen Tourismus-Gesellschaft. In Regensburg sei dazu beispielsweise das Marina Quartier in Hafennähe entwickelt worden. Im kommenden Jahr eröffnet dort unter anderem ein Hilton-Hotel.

Die Strategie der Planer sieht eine Mischung vor- aus Gewerbe und Kultur einerseits, neuen Stadthäuser und Mehrfamilienhäuser andererseits. „Das ist eine attraktive Wohnform im Zeitgeist. Man lebt zentrumsnah in besonderer Lage, wo das Leben durch Vielfalt spürbar ist“, sagt Thiele. Das Quartier würde einen entsprechenden Mehrwert bieten, auch weil seine Hotels eine Internationalität fördern, die für viele Menschen heutzutage interessant sei.

Umgekehrt würden die Gäste durch diesen sogenannten ‚Resonanz-Tourismus‘ engere Beziehungen zu den Anwohnern knüpfen können. Das Zukunftsinstitut in Frankfurt bezeichnet den Resonanz-Tourismus als „den Weg zurück zum Kern richtig verstandener Gastfreundschaft“, der Maß nehme „an menschlichen Entwicklungsbedürfnissen und vor allem dem Bedürfnis nach Beziehungen“.

Dennoch sind nicht alle Regensburger glücklich mit der Entwicklung. Die inhabergeführten Hotels klagen über zu viel Konkurrenz, die örtliche Presse über gleichförmige Gebäude und junge Familien über steigende Immobilienpreise. Armin Mayr vom Amt für Stadtentwicklung erinnert jedoch auch daran, dass die Betriebe mit ihren Gewerbesteuern maßgeblichen Anteil daran hätten, „dass Regensburg sehr wohlhabend ist.“

Denn natürlich spielt der wirtschaftliche Aspekt für die Kommunen eine große Rolle, wenn neue Hotels genehmigt werden. Das aktuelle Frühjahrsguthaben des Rates der Immobilienweisen hält fest, dass „fast jeder 15. Arbeitsplatz in Deutschland direkt oder indirekt dem deutschen Hotel- und Gaststättengewerbe zuzurechnen ist.“ Vom Tourismus profitierten zudem „auch andere Wirtschaftszweige wie Einzelhandel, Handwerk, Kultur und Freizeit.“

Der Einfluss der Hotels auf das Gesicht der Quartiere und die Wirtschaft hängt aber auch davon ab, in welcher Preisklasse die Etablissements sich bewegen. Beispiel: Bochum. Das dortige Ausgehviertel, das sogenannte Bermuda Dreieck, möchten die Planer zu einem Anziehungspunkt für Partywillige aus ganz Europa verwandeln. Entsprechend günstig werden die Übernachtungsmöglichkeiten für junge Leute sein. Der Bau eines neuen Konzerthauses ergibt dort deswegen wenig Sinn. Stattdessen dürfte das Viertel neue Kneipen und Clubs zu bieten haben. Auch das eine Form der Stadtentwicklung...


Beitrag von Marcel Grzanna (marcelgrzanna.com). Er lebt als freiberuflicher Journalist in Köln und ist Autor des Buches "Eine Gesellschaft in Unfreiheit" über seine neunjährige Korrespondenten-Zeit in China.

Video und Screenshot: Adina Hotel in München (© Adina Hotels Europe)

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