Versichert oder nicht?

Der Unmut über fehlende Entschädigungen der Versicherungsgesellschaften bei Betriebsschließungen wird immer lauter. Was verbirgt sich dahinter? Ist die Kritik berechtigt?

Es gibt keine Pauschalantworten zu versicherungsrechtlichen Fragestellungen. Entscheidend ist immer die vollständige Prüfung des zugrundeliegenden Versicherungsvertrags: Dieser besteht aus einem Versicherungsschein (nebst Nachträgen und gesonderten vertraglichen Vereinbarungen) sowie den zugrundeliegenden Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen. Wichtig ist die Einzelfallbetrachtung des gesamten Vertragswerks jeder einzelnen Versicherung.

Die Schließung von Betrieben infolge staatlicher Anordnungen führt zweifelsohne zu einem nicht unerheblichen Ertragsausfall des betroffenen Unternehmens bei gleichzeitiger Fixkostenbelastung. COVID-19 wird als Fall der höheren Gewalt nahezu einstimmig bejaht. Eine gesetzliche Definition der höheren Gewalt gibt es im deutschen Recht zwar nicht, wurde jedoch in ständiger Rechtsprechung fortentwickelt. Höhere Gewalt liegt kurzum vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen beruht, die auch durch die äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht vorausgesehen und verhütet werden konnten; schon das geringste Verschulden des Gläubigers schließt höhere Gewalt aus. Dies dürfte sowohl bei der Corona-Pandemie an sich als auch bei behördlichen Betriebsverboten zu bejahen sein.

Greift demnach die Versicherung für dieses verschuldensunabhängige Ereignis?

Die Betriebsunterbrechungsversicherung müsste also genau diesen Fall der höheren Gewalt abdecken. Allerdings sehen die Betriebsunterbrechungsversicherungen in der Regel einen Sachschaden als schadensauslösendes Ereignis vor. Mit anderen Worten: Der Ertragsausfall ist standardmäßig an einen Sachschaden wie durch Diebstahl, Brand, Blitzschlag, Sturm oder sonstige Naturgefahren geknüpft. Eine Pandemie zerstört nicht die Sache / das Eigentum an sich. Damit besteht keine Eintrittspflicht des Versicherers und kein Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers.

Mehr Aussicht auf Erfolg besteht bei der Betriebsschließungsversicherung als Unterfall der Betriebsunterbrechungsversicherung. Hier können Ertragsausfälle auch in Folge von Eingriffen staatlicher Verfügungen versichert sein. Auch hier kommt es entscheidend auf den Einzelfall an. Einige Verträge decken das Auftreten von Krankheitserregern im Betrieb (Bsp. Salmonellenbefall in Eisdiele) und die damit verbundene behördliche Schließung ab; eine Pandemie außerhalb des Betriebs würde hierunter nicht fallen. Andere Verträge sehen einen Verweis auf das Infektionsschutzgesetz vor und den dort aufgelisteten Krankheiten; dies dürfte gepaart mit den Festlegungen des IfSG zu einer Entschädigungspflicht der Versicherungsgesellschaften bei einer coronabedingten behördlichen Schließungsanordnung führen.

Prominentes und in der Presse aufgeführtes Beispiel ist die Pandemie-Versicherung des Wimbledon Turniers. Die Pandemie-Versicherung wurde offenbar mit Auftreten von SARS im Jahr 2003 zu einer jährlichen Prämie von 1,8 Millionen Euro abgeschlossen. Damit sind die Veranstalter mit der Absage des weltberühmten Tennisturniers den zahlreichen Presseberichten zufolge in Höhe von 114 Millionen Euro entschädigt worden.

Aufgrund unseres Marktüberblicks konnten wir Hotelbetreiberverträge mit der Absicherung gegen Seuchen als Ausnahmefall sichten. Allerdings sind die Folgen einer Pandemie schwer kalkulierbar. Daher sind die Versicherungssummen in diesen Fällen auch der Höhe nach begrenzt, denn ansonsten könnten die Versicherungsprämien nicht bezahlt werden.

Insgesamt ist die Absicherung einer Betriebsunterbrechung durch das Risiko übertragbarer Krankheiten - sogenannte sachschadenfreie Betriebsunterbrechungsversicherung - aktuell sehr gering verbreitet. Dies liegt zum einen an den hohen und unwirtschaftlichen Beitragszahlungen. Zum anderen weist die Versicherungswirtschaft darauf hin, das Pandemierisiko bereits an anderer Stelle über die Lebensversicherungen zu tragen; im Todesfall hat der Versicherer unabhängig von der Ursache den Vertrag mit dem Versicherungsnehmer zu erfüllen.

Festzuhalten bleibt, dass Unternehmen gegen das Risiko von Pandemien im Normalfall nicht abgesichert sind. Aus rein rechtlicher Sicht kann der Versicherungswirtschaft daher kein Vorwurf gemacht werden. Gleichwohl stellt sich die berechtigte Frage nach einer sachschadenfreien Betriebsunterbrechung nicht nur als luxuriöses Nischenprodukt.

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