Nach zwei Jahren „Corona-Stagnation“ starker Anstieg der Wohnkosten für Studierende erkennbar

– Weiterer deutlicher Preissprung in 2022 erwartet

Berlin, 19.02.22 - Zum Jahresstart 2022 ist der deutliche Aufwärtstrend bei den Kosten für Studentisches Wohnen zurück. Zwei Jahre lange hat der preisdämpfende Corona-Effekt dafür gesorgt, dass sich der durchschnittliche Zimmerpreis bei Neuvermietungen in Deutschland in einer engen Spanne zwischen 389 und 400 Euro bewegte. Damit ist es jetzt vorbei: Im Schnitt müssen Studierende nun mit 414 Euro Wohnkosten rechnen, wenn sie sich eine neue Bleibe suchen. Das ist das zentrale Resultat einer Auswertung aktueller Wohnangebote in 97 Hochschulstädten mit über 5.000 Studierenden, welche das Moses Mendelssohn Institut in Kooperation mit dem Immobilienportal WG-gesucht.de und im Auftrag des Immobilienprojektentwicklers GBI durchführte.

Der aktuelle deutliche Preisauftrieb trifft Standorte jeglicher Art: Metropolen, klassische Uni-Städte und viele kleinere Städte. „Somit ist das ein umfassender und starker Trend“, sagt Dr. Stefan Brauckmann, Geschäftsführender Direktor am Moses Mendelssohn Institut (MMI): „Viel deutet darauf hin, dass dies nur der Anfang einer deutlichen Preissteigerungswelle beim Studentischen Wohnen ist, verstärkt durch steigende Energiepreise, welche hier überproportional wirken.“ Für die Analyse der Anspannung des Studentischen Wohnungsmarktes auf Bundes- und Städteebene werden regelmäßig jeweils 23 Kriterien untersucht, von Mieten über Studierenden-Zahlen bis zur Attraktivität im Ausland. „Alle Daten lassen sich aktuell als eine Art Frühindikator interpretieren, die eine deutliche Reaktion des Marktes anzeigen“, so Dr. Brauckmann: „Danach wird es schon im Sommersemester, aber vor allem dann im September eine weitere, deutlich zu spürende Entwicklung bei den Wohnkosten für Studierende geben.“

Starker Preis-Auftrieb in Frankfurt

Dort stiegen die Mietkosten nach der Corona-Seitwärtsbewegung von 520 auf 550 Euro. In München – dem bundesweiten Kosten-Spitzenreiter – wird mit 680 Euro für ein WG-Zimmer der Vor-Pandemie-Wert von 650 Euro ebenso klar übertroffen. Noch deutlicher sind die Erhöhungen in einigen klassischen Hochschulstädten: in Tübingen von 400 auf 445 Euro, in Heidelberg um rund 40 auf 450 Euro und in Münster ist mit 395 Euro die 400 Euro Schallmauer erstmals nicht mehr fern. In Freiburg wurde die 450 Euro-Marke durchbrochen, der neue Durchschnittswert der Neuvermietungen liegt nun bei 464 Euro.

Ausgangspunkt für die neue Entwicklung war der Herbst vergangenen Jahres. Viele Studierende trafen mit dem Start des Wintersemesters erst nach langem Zögern und in letzter Sekunde ihre Entscheidung, dass sie am Hochschulort eine eigene Bleibe wollen. Auch die GBI Holding AG beobachtete als Projektentwickler dieses Phänomen an den 22 Standorten der Eigenmarke SMARTments student: „Normalerweise sind August und Anfang September die Haupt-Zeit für Vertragsabschlüsse. Wegen der Pandemie-Ungewissheiten gab es aber 2021 wie auch im Jahr zuvor bis dahin nur vergleichsweise wenige Unterschriften neuer Mieter“, erzählt Anja Bachmann, verantwortlich für die Entwicklung der SMARTments-Produktlinie: „Doch dann kam geballt der Last-Minute-Effekt, der für eine fast vollständige Belegung unserer Häuser sorgte. Diese zeitliche Verzögerung ist ein Branchen-Phänomen.“ Deshalb machte sich die Nachfrage ab Ende des Jahres bei den Preisen für Studentisches Wohnen bemerkbar.

Das zeigen auch die Analysen von WG-Gesucht.de zur Vermittlung von Mietwohnungen und WG-Zimmern. „Seit Oktober traf innerhalb kürzester Zeit ein Nachfrageplus von bis zu 21 Prozent auf ein unverändert begrenztes Angebot,“ erklärt Annegret Mülbaier, Sprecherin von WG-Gesucht.de. „Auch die Anbieter von Zimmern hatten sich zunächst überraschenderweise zurückgehalten - offensichtlich, weil sie nicht in einer schwachen Marktphase zu billig vermieten wollen“, so Mülbaier. Doch mit dem Semesterstart kam es zum großen Umsatz-, Preis- und Interessenten-Sprung. Besonders bei gewerblichen Anbietern sei dann das Interesse zur Vermietung von Zimmern in WGs stark gestiegen, da die Vorteile überwiegen, schnell und flexibel auf den Markt reagieren zu können.

Nachfrage für Studentische Wohnungen soll steigen

Dass viele Studierende im zweiten Corona-Jahr doch auf Wohnungssuche gingen, ist für Dr. Brauckmann keine Überraschung. „Auch wenn in manchen Studiengängen ein Großteil der Hochschullehre weiter oder wieder online stattfinden, wurde vielen Studierenden schnell bewusst, dass eine ausschließliche Teilnahme aus der Ferne keine Alternative mehr ist.“ Denn viele Veranstaltungen und Lerngruppen finden verstärkt wieder in Präsenz statt - auch dank verbesserter Kontrollierbarkeit durch Impfangebote und Tests. Außerdem müssen viele Studierende im Verlaufe eines Tages Präsenz- und Onlinetermine wahrnehmen, so dass Wohnungen in Uni-Nähe besonders gefragt sind. „Die früher beliebte Alternative, zum Lernen in Uni-Bibliotheken, Instituten oder im nächsten Café, besteht ja nur sehr eingeschränkt bis überhaupt nicht“, so Dr. Brauckmann: „Viele müssen umdenken. Die Nachfrage nach einer Bleibe in verkehrsgünstiger Lage zur Hochschule steigt.“ In dieser besonderen Situation scheinen viele Eltern und Verwandte sogar bereit, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. Brauckmann: „Preislimits werden angehoben, finanzielle Reserven mobilisiert.“ Für auf einen Nebenverdienst angewiesene Studierende wird die aktuelle Situation zum großen Problem. Denn die Möglichkeiten, einen verlässlichen Job etwa in der Gastronomie oder in Freizeit-Einrichtungen zu finden, sind extrem geschrumpft.

In den nächsten Monaten dürfte sich der Run auf die Studentenbude weiter verschärfen, so der MMI-Direktor: „Während der Pandemie haben viele Studierende Umzugsüberlegungen zurückgestellt. Das wird angesichts absehbarer Corona-Lockerungen sicherlich oft in Kürze nachgeholt und die Nachfrage sowie Preise zum Sommersemester treiben.“ Ein weiterer nicht zu unterschätzender Effekt für die Mieten in den Hochschulstädten sind längere Studienzeiten. Weil Vorlesungen, Arbeitskreise, Seminare oder Prüfungen wegen Corona ausfielen oder wenig ergiebig waren, verlängern viele junge Leute – teilweise auch gezwungenermaßen – ihr Studium. In diesem Zeitraum benötigen sie weiter eine passende Bleibe. „Das verknappt das Angebot für neue Studierende zusätzlich“, so Brauckmann: „Wie groß dieser Effekt sein wird, ist noch nicht final absehbar. Die pandemiebedingte Verlängerung der Regelstudienzeiten in vielen Studiengängen, belegt die Annahme weiter steigender Studierendenzahlen.“ Auch internationale Studierende, die Pläne für ein Auslandsemester in Deutschland zurückgestellt hatten, wollen das jetzt häufig nachholen. Das steigert in den kommenden Monaten ebenfalls die Nachfrage.

Die finanzielle Belastung der Studierenden erhöht sich zusätzlich durch die anziehende Teuerung, insbesondere bei den Energiekosten. „Es ist unbestritten, dass sich dies bei Studierenden sowie insgesamt bei Geringverdienenden vergleichsweise stärker bemerkbar macht“, so Dr. Brauckmann: „Nicht allein die Kaltmiete, sondern vor allem die Nebenkosten werden dann zur finanziellen Herausforderung für viele Studierende.“ Dass der Heizkosten-Zuschuss für BAföG-geförderte Studierende laut dem Beschluss der Bundesregierung geringer sein soll als bei sonstigen Wohngeld-Empfängern, sei in dieser Beziehung ein schlechtes Signal.

„Auf eine starke Inflationsentwicklung werden alle Betreiber früher oder später reagieren“, prognostiziert Anja Bachmann von der GBI. Dabei sorgen die SMARTments student-Häuser der GBI aufgrund ihrer besonderen Konstruktion grundsätzlich für Entlastung der Nebenkostenbudgets der Bewohner. Denn Betreiber ist die gemeinnützige Stiftung FDS, diese arbeitet ohne Gewinnerzielungsabsicht. Zudem konzentriert sich die GBI ohnehin auf bezahlbaren Studentischen Wohnraum. Anja Bachmann: „Das wird in der aktuellen Situation umso schwieriger. Aber in allen Bereichen der SMARTments Produktlinien setzen wir auf ein Baukastensystem und wollen Mieter und Investoren vom Wiederholungsfaktor und unserem sehr guten Marktzugang profitieren lassen. So bieten wir günstige Konditionen – das ist Teil unserer DNA. Um das zu erreichen ist die laufende Beobachtung des Gesamtmarktes durch das MMI umso wichtiger. Ohne spezifische Wohnangebote, die nur Studierenden und Auszubildenden offenstehen, werden die jungen Leute unter der Teuerungstendenz besonders leiden. Dass mit den Investments in Studentisches Wohnen also gerade denjenigen geholfen wird, die ansonsten auf dem umkämpften Wohnungsmarkt das Nachsehen haben, spielt auch auf der Anlageseite eine immer wichtigere Rolle. „Dieser gesellschaftliche Nutzen von Angeboten für Studentisches Wohnen ist in Zeiten von Nachhaltigkeit, ESG und sozialen Standards eines der zentralen Themen unseres Austauschs mit der Kapitalseite“, erläutert Simon Behr, Geschäftsführer der GBI Capital: „Die Vorgaben der EU-Taxonomie machen soziale Investments geradezu zwingend. Und bei Studentenapartments lässt sich das gut mit hoher und aufgrund der Nachfrage gut kalkulierbaren Wirtschaftlichkeit vereinbaren.“ Und wenn hohe Bodenpreise im frei finanzierten Bereich keine Projektentwicklungen zu günstigen Wohnkonditionen für Studierende ermöglichen, entwickelt die GBI inzwischen immer häufiger geförderte Wohnheime. Behr: „Diese ermöglichen dank staatlicher Förderung über direkte Zuschüsse oder günstige Darlehen über Jahrzehnte vergünstigte Mietkonditionen. Für Investoren ist dann die Kombination von sozialem Nutzen und Wirtschaftlichkeit attraktiv. Das Interesse steigt aktuell deutlich.“

Die MMI-Analyse zu Zimmer-Kosten in Wohngemeinschaften ist dabei ein aussagekräftiger Indikator für die Entwicklung Studentischer Wohnungsmärkte: „WG-Zimmer liegen in der Regel preislich zwischen geförderten Wohnheimplätzen und allein bewohnten Kleinwohnungen. Mehr als ein Drittel der Studierenden (rund 37 Prozent), die nicht bei den Eltern wohnen, leben in einer Wohngemeinschaft. Die Preisermittlung ist daher gut auf andere studentische Wohnformen übertragbar“, so Dr. Brauckmann: „Damit ist unser unabhängiges Marktbeobachtungs-Modell sehr dicht am realen Marktgeschehen, anders als virtuelle Berechnungen, bei denen allgemeine Mietpreise größerer Einheiten durch die Zahl möglichen WG-Bewohner geteilt werden.“ Der seit der ersten deutschlandweiten Erhebung vom MMI beobachtete Preisanstieg betrug insgesamt 90 Euro oder 27,8 Prozent. Diese Werte liegen deutlich über der Teuerungsrate „Wohnen“ von 8,5 Prozent im Zeitraum von 2013 bis 2021.

Vier von fünf Studierenden treffen die hohen Wohnkosten laut der Analyse ganz besonders. Denn diese insgesamt 2,2 Millionen junge Leute sind in Hochschul-Standorten eingeschrieben, in denen die durchschnittlichen Kosten für ein Zimmer bereits über der BAföG-Wohnkostenpauschale von 325 Euro liegen. „Hier muss dringend Abhilfe durch mehr günstige Angebote sowie passgenaue Unterstützung der jungen Menschen geschaffen werden. Ansonsten entscheidet noch mehr als bisher das Elterneinkommen über Hochschulort und spätere Beschäftigungsperspektiven“, so Dr. Brauckmann.

Short Notes

  • Durchschnittliche Wohnkosten steigen zum Ende des aktuellen Wintersemesters auf 414 Euro
  • Pandemie-Sondersituation mit bislang aufgeschobenen Umzügen und längeren Studienzeiten lässt weiteren Preisanstieg erwarten
  • Höchste WG-Mieten in München mit 680 Euro – gefolgt von Frankfurt, Berlin und Hamburg
  • Trotz teilweise weiterhin vieler Online-Vorlesungen wollen sich Studierende am Hochschulort einrichten und in Pandemie-Zeiten möglichst kurze Wege nutzen
  • Anspannung für Studentischen Wohnungsmarkt steigt und die anziehende Teuerungsrate bei Wohnnebenkosten verschärft das Problem
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