Preise für WG-Zimmer in Hochschulstädten steigen im Sommersemester 2023 weiter deutlich

Energie und Inflation erhöhen die durchschnittlichen Wohnkosten binnen eines halben Jahres um 23 auf 458 Euro

Auch im Sommersemester 2023 bekommen Studierende in Deutschland erneut eine deutliche Steigerung der Wohnkosten zu spüren. Mit durchschnittlich 458 Euro pro Monat müssen die jungen Leute für ein übliches WG-Zimmer noch einmal 23 Euro pro Monat mehr zahlen als noch vor einem halben Jahr, zu Beginn des Wintersemesters. Das ist ein Ergebnis der Untersuchung des Moses Mendelssohn Instituts in Kooperation mit dem Immobilienportal WG-Gesucht.de sowie dem Projektentwickler GBI Group. Dabei wurden Angebote in allen 94 deutschen Hochschulstädten mit mindestens 5.000 Studierenden ausgewertet. Durchgeführt wird die unabhängige Marktbeobachtung seit 2013.

„Die Dynamik deutlicher Preissteigerungen hat sich bisher noch nicht abgeschwächt. Nur so sind die binnen weniger Monate um mehr als fünf Prozent erhöhten Wohnkosten erklärbar“, resümiert Dr. Stefan Brauckmann, Geschäftsführender Direktor am Moses Mendelssohn Institut (MMI): „Auf Jahresfrist bezogen liegt die Steigerung bei 10,6 Prozent. Dabei macht unsere Analyse der Preise inklusive Nebenkosten deutlich, dass vor allem die verteuerte Energie bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle spielt.“ Von diesen Steigerungen sind daher nicht nur diejenigen betroffen, die neu in eine Hochschulstadt kommen, sondern auch nahezu alle Studierenden, welche dort bereits wohnen. In 37 von 94 Städten stiegen binnen eines Jahres die Wohnkosten sogar um mehr als 10 Prozent. Dr. Brauckmann: „Das betrifft an diesen Standorten mehr als 1,1 Millionen Studierende, rechnerisch also fast jeden Zweiten an deutschen Hochschulen.“

Vor allem spitzt sich die Situation für diejenigen zu, die nur ein geringes Einkommen haben und zum Beispiel die BAföG erhalten. Die in der staatlichen Unterstützung enthaltene – Mitte 2022 im Rahmen der BAföG-Reform von 325 auf 360 Euro erhöhte – Wohnkostenpauschale reicht in 68 Städten nicht einmal für ein durchschnittliches Zimmer. In 40 Städten liegt selbst das untere Preissegment über diesem Niveau. In diesen teuren, aber gefragten Städten sind allerdings die meisten Studierenden eingeschrieben. So sind rechnerisch mehr als 80 Prozent der Studierenden von der schwierigen Wohn-Situation betroffen. „Vor diesem Hintergrund bedarf es dringend zusätzlicher finanziellen Unterstützung für Studierende, die außerhalb des Elternhauses wohnen“, stellt Analyst Dr. Brauckmann klar: „In immer mehr Städten braucht es mittlerweile das volle Gehalt eines Minijobs, 520 Euro, um die Wohnkosten zu tragen. Die kürzlich mit hohem bürokratischem Aufwand gewährte 200 Euro Energiekosten-Pauschale hat daher bei vielen Studierenden nur einen sehr kurzfristigen Effekt.“

Berlin wird zur zweitteuersten Stadt nach München

Das gilt vor allem, wenn sich die jungen Leute sich für Studien-Standorte entschieden haben, an denen die Mieten gerade besonders deutlich wachsen, etwa in Berlin. „Dort kommen neben den gestiegenen Energiekosten unter anderem die wieder gestiegene internationale Nachfrage und eine viel zu geringe Bautätigkeit hinzu. Der Engpass verschärft sich dort extrem“, so Dr. Brauckmann. In der Bundeshauptstadt stieg deshalb die durchschnittliche ermittelte WG-Monatsmiete seit dem Herbst vergangenen Jahres weiter von 550 Euro auf jetzt 640 Euro. Ende 2021 lag dieser Wert noch bei unter 500 Euro. In Berlin ist somit eine Steigerung von fast einem Drittel binnen eineinhalb Jahren zu erkennen. Dadurch hat Berlin beim Preis bis auf Spitzenreiter München – dort stiegen die Wohnkosten noch einmal von 700 auf 720 Euro – inzwischen alle anderen Städte hinter sich gelassen: Frankfurt mit 580 Euro, Hamburg mit 570 Euro und Köln mit 560 Euro folgen inzwischen mit Abstand.

Nicht nur für Berlin (um 28 Prozent von 500 auf 640 Euro) werden in großen Hochschulstädten innerhalb eines Jahres – zwischen dem Start der Sommersemester 2022 und 2023 – deutliche Preisaufschläge dokumentiert.  So erhöhten sich die Wohnkosten in diesen 12 Monaten beispielsweise

  • in Erfurt um 21,4 Prozent (von 290 auf 352 Euro)
  • in Magdeburg um 20,1 Prozent (von 273 auf 328 Euro)
  • in Passau um 19,7 Prozent (von 355 auf 425 Euro)
  • in Leipzig um 17,2 Prozent (von 311,50 auf 365 Euro)
  • in Bonn um 16,3 Prozent (von 430 auf 500 Euro)
  • in Lüneburg um 16,1 Prozent (von 366 auf 425 Euro)
  • in Köln um 15,8 Prozent (von 475 auf 550 Euro)
  • in Hamburg um 14,0 Prozent (von 500 auf 570 Euro)
  • in Essen um 13,5 Prozent (von 340 auf 386 Euro)
  • in Oldenburg um 13,4 Prozent (von 335 auf 380 Euro)
  • in Mainz um 12,8 Prozent (von 430 auf 485 Euro)
  • in Freiburg um 12,1 Prozent (von 464 auf 520 Euro)
  • in Düsseldorf um 12,0 Prozent (von 460 auf 515 Euro)
  • in Mannheim um 11,9 Prozent (von 420 auf 470 Euro)

Auch der langfristige Vergleich in vielen Städten zeigt die Dramatik der Lage. In Berlin erhöhte sich der WG-Preis laut MMI-Analyse von 335 Euro in 2013. Dr. Brauckmann: „Mit 91 Prozent Steigerung sind wir so von einer Verdoppelung binnen zweier Studierenden-Generationen nicht mehr weit entfernt.“

Die Preis-Explosion trifft die zwei Drittel der Studierenden, die weder bei Eltern oder Verwandten wohnen noch einen der raren Plätze in öffentlich geförderten Wohnheimen ergattert haben.  „Auf dem freien Markt werden Wohngemeinschaften mittlerweile auch stärker von jüngeren Berufstätigen und älteren Mietern der Generation 60+ nachgefragt. Denn WGs sind für viele die einzige Möglichkeit, in guter Lage und zu einem angemessenen Preis zu wohnen“, erklärt Annegret Mülbaier, Sprecherin von WG-Gesucht.de.: „So steigt der Druck für Studierende immer weiter.“ Erschwerend hinzu kommt für viele angehende Akademiker – zumal, wenn sie neu in der Stadt sind und es Sprachbarrieren gibt –, dass sie sich bei später Studienplatz-Vergabe oft unter Zeitdruck sehen. Mülbaier: „In dieser schwierigen Situation erhöht eine Wohnkosten-Analyse die Markt-Transparenz deutlich.“

Doch nicht nur die Höhe der Preise entscheidet, wie schwer sich Studierende bei der Wohnungssuche tun. Insgesamt jeweils 23 Kriterien werden daher seit 2013 vom Moses Mendelssohn Institut für die Analyse des Studentischen Wohnungsmarktes untersucht. Dazu gehören dann regelmäßig auch Kriterien wie die Bautätigkeit, die Entwicklung von Studierendenzahlen, Gesamtbevölkerung und Wohnheim-Plätzen gemeinnütziger Betreiber oder die Attraktivität einer Hochschule im Ausland.

Sowohl für Großstädte als auch kleinere Standorte plant und baut die GBI Group als erfahrener Projektentwickler Häuser der Eigenmarke SMARTments student. Damit auch künftig ausreichend bezahlbare Unterkünfte für Studierende und Auszubildende entstehen, hofft die GBI auf eine rasche Verbesserung der Programme zur öffentlichen Förderung solcher Immobilien, auch dank einer Initiative der Bundesregierung. „Nur so kann an vielen begehrten Hochschul-Standorten der Teufelskreis durchbrochen werden. Trotz teurer Grundstücke müssen auch dort bezahlbare Wohnungen für junge Leute entstehen. Deren Bildungshunger darf nicht auf diese Weise ausgebremst werden“, betont Simon Hübner, Geschäftsführer der GBI Group: „Das ist im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Die jungen Leute sind die Fachkräfte von morgen, die unser Land dringend benötigt. Der internationale Austausch der künftigen Wissenschaftler-Generationen muss ebenfalls weiter möglich sein. Auch dafür muss das Wohnen in Unistädten bezahlbar bleiben.“

expand_less