Wissen, wie ein Gebäude tickt ...

Die Energiepreise steigen. An dieser Tatsache kommt auch die Bau- und Immobilienbranche nicht mehr vorbei. Spätestens mit Eintreffen der Rechnung wird klar: Es muss sich etwas ändern, um Gebäude weiterhin effizient bewirtschaften zu können. Der Druck zu mehr Nachhaltigkeit im Property und Asset Management ist nicht neu. Spätestens seit den jüngsten Vorschriften in Bezug auf ESG und Klimaschutz ist das Thema präsenter denn je. Doch wie kann der Wandel gelingen?

Die Basis für nachhaltige Einsparungen bilden Daten. Denn nur wer weiß, wie ein Gebäude tickt, welche Prozesse zwischen Beton und Stahl oder idealerweise alternativen Baustoffen ablaufen und wie viele Ressourcen wo verbraucht werden, kann Potenziale identifizieren und Maßnahmen zur Optimierung ableiten. Wichtig ist es, den letzten nicht vor dem ersten Schritt zu machen. Ziel sind Einsparungen und effiziente Prozesse. Doch zuvor muss eine Datengrundlage geschaffen werden, auf der alles Weitere aufbaut.

Mit dem Hamburger Projekt Meltingport zeigen die Immobilienentwickler NORD PROJECT und GBI gemeinsam mit dem digitalen Property Manager Reos die Möglichkeiten von gezielter Datennutzung und einem digitalen Gebäudemanagement auf. In der östlichen HafenCity soll bis Ende 2025 auf insgesamt 23.569 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche ein neues Stadtquartier entstehen, in dem Gebäudedaten für das Management sowie für Bewohner:innen und Besucher:innen erlebbar werden.

Die virtuelle Darstellung von Daten soll allen Stakeholdern ein Bewusstsein über die Komplexität der Abläufe im Quartier geben und Transparenz schaffen. Darüber hinaus dient der digitale Status Quo dazu, Potenziale für mögliche Optimierung und Einsparungen aufzuzeigen. Etagenweise und anonymisiert werden zum Beispiel die Verbräuche von Wasser und Heizung aufgeführt. Dabei fallen hohe Verbräuche sofort ins Auge und regen zu nachhaltigen Anpassungen des Nutzungsverhaltens an. Als eines der ersten Objekte profitiert das Stadtquartier zudem von den neusten Erkenntnissen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Kilmaschutz geförderten Forschungsprojektes DROPS. Praxisnah und interdisziplinär entwickeln dabei mehrere Konsortialpartner Datenstandards für intelligente Immobilien von Morgen. So schließt sich die Klammer der Digitalisierung um Wohnen, Arbeit und Forschung.

Das Vorhaben in der HafenCity bildet einen Nutzungsmix aus Büro, Hotel, geförderten und frei finanzierten Micro Living Apartments ab. Alle Gebäudeteile verbindet dieselbe Internet-of-Things-Infrastruktur (IoT). Auf diese Weise können einzelne Hardware- und Softwarekomponenten miteinander kommunizieren. Ein Beispiel: Im Meltingport werden Türen nicht mit einem Schlüssel geöffnet, sondern ganz einfach per Quartiers-App. Hierzu kommuniziert die App mit dem jeweiligen Schloss, das geöffnet werden soll. Eine digitale Anfrage zum Öffnen der Tür wird gesendet und wenn eine Berechtigung vorliegt, geht die Tür mit nur einem Klick in der App auf. Gleiches gilt für Briefkästen und Paketstationen.

Sichtbar wird der hohe Grad an Innovation im Daten Café des Neubauquartiers. Hier werden neben Kaffee und Kuchen auch Datenströme „serviert“, das heißt visualisiert und erlebbar gemacht. Informationen zur Raum- und Gebäudenutzung, zur Wegeführung und Logistik, zur Sicherheit sowie Verbrauchsdaten aus dem gesamten Quartier fließen zusammen und ergeben an den Wänden des Cafés einen Echtzeitüberblick über das Geschehen in allen Gebäudeteilen.

Mittels interaktiver Grafiken, Bildschirmen und Dashboard-Darstellungen lernen Bewohner:innen und Gäste das Quartier auf eine ganz neue Weise kennen und erhalten Einblicke in dessen Vielschichtigkeit. Darüber hinaus erhält das Property Management wichtige Informationen über den Zustand der installierten Gebäudetechnik. Läuft die Heizung? Fährt der Aufzug? Sind die Lüftungsklappen intakt? Ist eine Wartung notwendig? Früher wurden Technikausfälle häufig erst von Mieter:innen bemerkt und per Telefon an die Hausverwaltung weitergegeben. Im Meltingport aber liegen dem Property Management jederzeit alle Gebäudedaten vor. Für die Datenaufbereitung ist Reos gemeinsam mit der HafenCity Universität Hamburg (HCU) verantwortlich. Neben verschiedenen Softwarelösungen kommen selbstentwickelte Visualisierungsformate zum Einsatz. Perspektivisch ist auch der Einsatz von Virtual-Reality Brillen für ein 3D-Erlebnis denkbar. Gewiss ist schon jetzt, dass mit dem Projekt Meltingport ein gänzlich neues, digitales Wohnerlebnis geschaffen wird.


Beitrag von Tom Leppin. Tom Leppin ist Smart Building Experte und Geschäftsführer der Reos GmbH.

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